Gehen hilft immer
Quelle: http://science.orf.at/stories/2805710/
Eva Obermüller, science.ORF.at
Die Studie
„Walking facilitates positive affect (even when expecting the opposite)“, Emotion, August 2016
Warum Sport der Seele so gut tut, könnte an mehreren Dingen liegen: Zum Beispiel könnten biochemische Veränderungen in Körper und Gehirn das Wohlbefinden befördern. Bewegungsforscher gehen aber davon aus, dass auch psychologische Faktoren eine Rolle spielen: der Aufenthalt im Freien, der Kontakt mit Menschen, die Zufriedenheit, wenn man ein selbst gestecktes Ziel erreicht hat, und nicht zuletzt die Erwartungshaltung, dass die körperliche Aktivität einem guttut.
Weniger ist mehr
Alles nicht notwendig – so das Fazit einer experimentellen Studie der beiden Psychologen Jeffrey Miller und Zlatan Krizan: Schon die Bewegung an sich hebe die Stimmung. Und, so die zweite Botschaft, man muss nicht kilometerweit radeln oder laufen. Es reicht, ein paar Schritte zu gehen, und die Laune steigt.
Das legen zumindest die drei Experimente mit Hunderten Studenten nahe. Im ersten spazierte ein Teil der Probanden zwölf Minuten über den Campus, eine andere Gruppe absolvierte dasselbe Programm in den wenig ansprechenden Gängen der Universität. Vordergründig ging es um die Auswirkung der Umgebung auf die Stimmung. Beide waren nach der kurzen Tour besser gelaunt, voller Elan, aufmerksamer und selbstbewusster als zuvor. Bei der sitzenden Vergleichsgruppe hatte sich genau gar nichts getan.
Auch drohen hilft nicht
Im zweiten Experiment wollten die Forscher testen, ob man jemanden die Bewegung auch verleiden kann. Ein Teil der Probanden wurde vor ihrem Spaziergang gewarnt, dass sie danach einen zweiseitigen Aufsatz schreiben und darüber diskutieren werden müssen.
Obwohl die Probanden selbst befürchtet hatten, dass sich ihre Stimmung dadurch verschlechtern würde – wie sie in der abschließenden Befragung berichteten, war das nicht der Fall. Ganz anders bei jenen Teilnehmern, die dieselbe „Drohung“, aber ohne Spaziergang, erhalten hatten. Sie waren deutlich schlechter gelaunt. Schreiben mussten übrigens dann beide nichts.
Im abschließenden Test beschränkten die Forscher den Kontakt mit den Probanden auf ein Minimum, sie erhielten ihre Anweisungen via Computer. Der Schauplatz des Experiments war ein Trainingsraum – vordergründig sollte die Auswirkung der sportlichen Umgebung erforscht werden. Drei Gruppen erhielten fast identische Anweisungen: Alle sollten sich ein zehnminütiges Video anschauen, die erste saß dabei auf einem Laufband, die zweite stand darauf, und die Teilnehmer der dritten Gruppe gingen auf dem Trainingsgerät. Und tatsächlich hatte sich nur bei der letzten am Ende die Stimmung verbessert.
Falscher Instinkt
Die Forscher vermuten, dass simple Bewegungen wie Gehen direkt mit positiven Gefühlen gekoppelt sind und uns so weitaus mehr beeinflussen, als man annehmen könnte. Viele Menschen dürften diesen Effekt aber unterschätzen, befürchten die Forscher, und daher lieber – anstatt ein paar Schritte zu gehen – auf der Couch bleiben.
Dass unsere diesbezüglichen Instinkte vielleicht nicht immer die richtigen sind, hat bereits eine Studie aus dem Jahr 2010 ergeben: Wir sehnen uns zwar nach Faulheit, beschäftigt sind wir aber glücklicher.
Eva Obermüller, science.ORF.at